Die Darmwand muss zwei widersprüchliche Aufgaben erfüllen. Sie soll einerseits für aufgenommene Nährstoffe, Vitamine und Spurenelemente durchlässig sein, andererseits aber vor dem Eindringen schädlicher Bakterien, Pilze, Viren und Schadstoffe schützen. Die Darmbarriere ist also nicht starr, sondern sehr selektiv reguliert. Bei der Regulation der Darmbarriere arbeitet die Darmschleimhaut eng mit den Bakterien der Darmflora, den im Darm ansässigen Immunzellen und dem vegetativen Darmnervensystem zusammen.
Abb.1 Tight junctions verschließen die Zellzwischenräume in der Darmschleimhaut. Ihre Integrität wird von Zonulin reguliert. Zonulin wird von der Darmschleimhaut sezerniert und bewirkt durch Bindung an spezifische Rezeptoren die Kontraktion des Zytoskeletts und somit die Öffnung der interepithelialen Kanäle. In der Abbildung sind Ausschnitte von oben dargestellt.
Links: intakte tight junctions
Rechts: nach Zonulineinwirkung geöffnete Zellzwischenräume in der Darmwand
Tight Junctions (lat. Zonula occludens) sind schmale Bänder aus Membranproteinen, welche die Verbindung zwischen den Epithelzellen der Darmschleimhaut herstellen. Die Tight Junctions verschließen den Zellzwischenraum und bilden somit eine parazelluläre Diffusionsbarriere. Diese intestinale Barriere kontrolliert den Fluss von z.B. gelösten Aminosäuren, Zuckern und Fettsäuren sowie Immunglobulinen, aber auch immunogenen Nahrungsmittelproteinen, bakteriellen Lipopolysacchariden oder Candidaantigenen. Die Störung dieser wichtigen Darmbarrierefunktion wird auch als leaky gut bezeichnet. Dieser Begriff ist aus dem Englischen übersetzt und bedeutet »durchlässiger Darm«. Das Zonulin ist ein Labormarker, der eine Störung der Darmbarriere anzeigt.
Zonulin ist ein 47 KD-Protein, welches für die Regulation der tight junctions in der Darmwand verantwortlich ist. Es wird bei unterschiedlichen Reizen von der Darmschleimhaut abgegeben und bindet an spezifische Rezeptoren auf den Darmepithelzellen. Dies bewirkt die Kontraktion von Proteinen des Zytoskeletts, was zur Öffnung der interepithelialen Kanäle führt. Mit der Analyse des Zonulinspiegels im Serum kann die Darmpermeabilität bei gut belegter vergleichbarer Aussage ohne den Aufwand einer Provokation (z.B. Laktose/Mannitol-Quotient) untersucht werden. Bei Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, Zöliakie, Diabetes mellitus, aber auch anderen Autoimmunerkrankungen, sowie gestörter Darmflora z.B. nach antibiotischer Therapie, konnte gezeigt werden, dass erhöhte Zonulinspiegel im Serum mit einer gestörten Darmbarriere und gesteigerter Darmpermeabilität korrelieren.
Abb. 2 Musterbefund
Eine erhöhte Durchlässigkeit der Darmschleimhaut bedingt eine verstärkte Konfrontation des Darm-Immunsystems mit Nahrungsmittelbestandteilen, aber auch Fremdantigenen wie z. B. Nahrungsmittelzusatzstoffen oder aus Zahnersatz herrührenden toxischen Metallen. Des Weiteren können Bakterien, Schimmelpilze und Hefen (Candida-Spezies) sowie deren Stoffwechselprodukte als Trigger einer Immunaktivierung deutlich wirksamer sein, wenn die Selektionsfunktion der Darmschleimhaut fehlerhaft ist.
1. Verstärkung von Nahrungsmittelunverträglichkeiten
Nahrungsmittelunverträglichkeiten sind oft sekundär die Folge von chronischen Entzündungsprozessen im Darm. Das Darmepithel ist Syntheseort von Enzymen wie Diaminooxidase und Laktase, weshalb entzündlich bedingte morphologische Veränderungen der Darmschleimhaut auch zu einer verminderten Synthese dieser Enzyme führen. Die Bestimmung des Zonulins dient nicht nur zur Diagnosestellung eines leaky gut, sondern erlaubt auch die Kontrolle des Therapieverlaufes bei sekundärem DAO-Mangel (Histaminintoleranz) bzw. sekundärem Laktasemangel (Laktoseintoleranz). Auch bei Patienten mit Zöliakie fallen die Zonulinspiegel bei streng Gluten-freier Diät parallel zu den Entzündungsparametern ab.
2. Resorptionsstörungen
Bei einer gestörten Darmintegrität können Nahrungsmittelbestandteile nicht adäquat verdaut bzw. resorbiert werden. Die Folge sind oft Mangelerscheinungen. Essentielle Spurenelemente wie Zink, Selen, Kupfer, Magnesium, Mangan, Kobalt oder Chrom spielen als Ko-Faktoren zahlreicher Enzyme eine wichtige Rolle. Bereits eine latente Unterversorgung kann u.a. mit einer verminderten kognitiven Leistungsfähigkeit oder einer erhöhten Infektanfälligkeit einhergehen. Zusätzlich beeinflussen einige Mineralstoffe direkt die Integrität der Darmschleimhaut, indem sie wie z. B. Zink direkt mit den tight junctions interagieren. Bei Patienten mit erhöhten Zonulinwerten ist daher eine ausreichende Mineralstoffversorgung von großer Bedeutung. Um eine Überdosierung zu vermeiden, sollte sich diese am Mineralstoffstatus orientieren (EDTA-Vollblutmineralstoffanalyse).
Abb. 3 Musterbefund
3. Gesteigerte Aufnahme toxischer Metalle
Sowohl durch Freisetzung aus metallischem Zahnersatz als auch aus der Nahrung gelangen toxische Metalle wie z. B. Quecksilber, Silber, Zinn, Blei, Palladium oder Aluminium in den Darm. Im Normalfall werden sie zum großen Teil wieder ausgeschieden. Bei leaky gut kommt es dagegen zur verstärkten Aufnahme in den Organismus und somit zur toxischen Belastung.
Zonulin: 1 ml Serum
MBL: 1ml Serum
Mineralstoffe: 2 ml EDTA-Blut
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