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Medikamentenallergien sind keine Priorität!

8 % der ambulant behandelten und 20 % der hospitalisierten Patienten zeigen unerwünschte Arzneimittelreaktionen. Dabei handelt es sich in 80 % der Fälle nicht um Allergien, sondern um unerwünschte »Neben«-Effekte der Wirksubstanz. Trotzdem ist der Anteil an echten Medikamentenallergien mit 20 % immer noch beachtlich. Bei einer Allergie handelt es sich im Unterschied zu anderen Nebenwirkungen um Entzündungsreaktionen, die durch Interaktion von Medikamentenbestandteilen oder Abbauprodukten mit allergenspezifischen Antikörpern oder Immunzellen induziert sind. Prinzipiell kann jedes Präparat (auch nicht-verschreibungspflichtige!) eine Allergie verursachen.

Allergische Reaktionen auf Medikamente sind nicht vorhersehbar. Medikamentenallergien treten auch bei Patienten mit völlig unauffälliger Allergieanamnese auf. Es ist lediglich bekannt, dass Patienten mit systemischen Virusinfektionen häufiger auf Antibiotika reagieren (z. B. Ampicillin bei EBV-Mononukleose).

Erscheinungsformen der Medikamentenallergie

Die Symptomatik einer Medikamentenallergie richtet sich nach den jeweiligen Pathomechanismen, die nach Coombs und Gell in 4 Typen eingeteilt werden. Die Allergietypen I und IV dominieren. Eine Sonderform ist die Pseudoallergie, die nach Ihrer Symptomatik an die Typ I Allergie erinnert, aber nicht durch IgE- Antikörper ausgelöst wird und somit auch nicht mit der IgE- oder Epikutantestung erfasst wird.

Die Symptome einer Medikamentenallergie hängen vom vorliegenden Allergietyp ab

Es gibt Allergien vom Typ I bis Typ IV.

Typ I

(IgE-vermittelt): Urtikaria, Rush, Quaddel, Erythrodermie, Rhinitis, Asthma und Anaphylaxie

Typ II

(IgG/Komplement vermittelt): Granulozytopenie, Erythrozytopenie, Lymphozytopenie

Typ III

(IgM/Komplement vermittelt): Vaskulitis, Arthritis, Glomerulonephritis

Typ IV

(T-lymphozytär vermittelt): Hautekzeme, Hepatitis (Leberwerte↑), Nephritis, Symptome wie bei grippalem Infekt

Labordiagnostik bei Verdacht auf Medikamentenallergie vom Typ I und Typ IV

Die Diagnostik umfasst eine Anamnese, den klinischen Befund, Hauttestungen und die Labordiagnostik. Von Provokationstestungen wird, mit Ausnahme der ASS-Unverträglichkeit, bei Medikamentenallergien zumeist Abstand genommen.

In Abhängigkeit von der Symptomatik (siehe oben) und vor allem auch vom zeitlichen Verlauf (< 24 h meist Typ I; > 24 h eher Typ IV) wird der Basophilenaktivierungstest (BAT) und/oder der Lymphozytentransformationstest (LTT) im Labor durchgeführt. 

Wie funtionieren diese Tests?

Diese Testverfahren sind »in-vitro-Provokationsteste«, das heißt die Blutzellen des Patienten (Lymphozyten beim LTT bzw. Basophile beim BAT) werden mit dem verdächtigten Allergen im Labor »provoziert«. Beim BAT (Synonyme: CASTTest, Basophilenaktivierungstest) wird die Freisetzung von Leukotrienen und beim LTT die Lymphozytenaktivierung als »Beweis« für eine individuelle Sensibilisierung nachgewiesen.

Bei beiden Labortests wird entweder auf im Labor vorhandene Wirkstoffe getestet oder auf native Substanzen (z. B. Tabletten, Kapseln, Injektionslösungen), die mit der Blutprobe ins Labor geschickt werden.

Abb. 1 Nachweis einer Typ IV-Sensibilisierung auf Amoxicillin. Der Grund für die Diagnostik waren »allgemeines Unwohlsein« und eine Erhöhung der Leberwerte GPT und GOT. Es lagen keine Symptome an der Haut vor.

Abb. 2 Nachweis einer NSAIR Hypersensitivität auf Aspirin (ASS), Diclofenac, nicht aber auf Ibuprofen

Die IgE-Bestimmung im Serum ist wenig hilfreich

Die bei Inhalationsallergien übliche Bestimmung des spezifischen IgE im Serum ist bei Verdacht auf Medikamentenallergie kaum hilfreich, da sie nur auf wenige Wirkstoffe angeboten wird (keine Testung von nativen Präparaten möglich) und weder die TypIV-Allergie noch die Pseudoallergie erfasst werden. Ausnahmen sind allenfalls IgE- Antikörper gegen Penicillin- und Penicillinderivate (kaum falsch positiv), die aber nur mäßig sensitiv sind (oft falsch negativ).

Es gilt deshalb: Ein positiver IgE-Test ist ein Hinweis für eine Sensiblisierung, ein negativer Test schließt sie nicht aus.

Typ II und Typ III - Allergien sind schwierig nachzuweisen

Die IgG- und/oder IgM-vermittelten Typ II und Typ III-Allergien sind labordiagnostisch nicht zu belegen. Allergenspezifische IgG und IgM-Antikörper sind nicht bestimmbar, da sie nicht gegen das Medikament selbst, sondern gegen Medikamenten-modifizierte zelluläre Strukturen gerichtet sind. Diese sind für die Allergietestung nicht zugänglich. Bei plötzlichen Zytopenien im Blutbild muss man an eine Typ II-Allergie und bei Vaskulitis, plötzlich einsetzender Arthritis oder Glomerulonephritis an eine mögliche Typ III-Allergie denken und die Diagnose klinisch stellen.

Was sind Pseudoallergien?

Möglich sind auch sogenannte Pseudoallergien (Idiosynkrasie), die klinisch der Typ I-Allergie sehr ähnlich sind. Diese sind in der Mehrzahl der Fälle dadurch begründet, dass die Wirksubstanz oder ein Zusatz- oder Konservierungsstoff die Aktivierungskaskade der Mastzellen »anschaltet«, ohne dass dem eine IgE-Rezeptor-vermittelte Aktivierung vorangeht (daher »Pseudo...«). Pseudoallergien können labordiagnostisch nur mit dem Basophilenaktivierungstest (BAT) nachgewiesen werden.

Material

BAT (pro Medikament): 2 ml EDTA- oder Heparinblut

LTT (pro Medikament): 5 ml Heparinblut plus einmalig 5 ml Vollblut (Serum)

Ein Probeneingang im Labor innerhalb von 24 Stunden (24h) muss gewährleistet sein. Das Blut sollte bei Raumtemperatur gelagert und transportiert werden. Bitte nutzen Sie dafür unseren Fahrdienst (+49 (0)331 280 95-0). Das Blutentnahmematerial wird vom Labor kostenfrei zur Verfügung gestellt.

Folgende Wirkstoffe sind im Labor für die Testung vorhanden:

Antibiotika
Amoxicillin, Ampicillin, Cefazolin, Ceftriaxon, Cefuroxim, Cephalosporin, Ciprofloxacin, Clarithromycin, Clavulansäure, Clindamycin, Doxycyclin, Erythromycin, Levofloxacin, Moxifloxacin, Penicillin G, Penicillin V, Rifampicin, Sulfamethoxazol, Trimethoprim , Tetrazyklin

Schmerzmittel
Aspirin / Azetylsalizylsäure, Diclofenac, Ibuprofen, Indomethazin, Mefenamin Säure, Metamizol, Paracetamol, Phenylbutazon, Propyphenazon, Tramadol

Anästhetika
Lidocain, Mepivacain, Articain, Prilocain, Ubistesin
Bei den Lokalanästhetika empfehlen wir allerdings wegen möglicher Zusätze eher auf das native Präparat zu untersuchen als auf die Wirksubstanz. Dazu müßte eine Ampulle zusammen mit dem Blut eingesendet werden.

Muskelrelaxantien
Atracurium, Mivacurium, Pancuronium, Propofol , Rocuronium, Suxamethonium , Vecuronium

Andere
Bisoprolol, Ramipril, Chlorhexidine
Hier nicht genannte Präparate sollten miteingesendet werden (eine geblisterte Tablette oder Kapsel, eine Ampulle, bitte keine Abfüllungen wegen der Gefahr der Kontamination). 

Abrechnung

Eine Abrechnung ist bei gegebener Indikation im kassen- und privatärztlichen Bereich gegeben. Allerdings ist pro Blutentnahmezeitpunkt bei GKV-Versicherten nur 1 Medikament im LTT und maximal 5 im BAT möglich. 

Sie wollen sich einen Vortrag dazu ansehen?

Zu diesem Thema steht Ihnen in unserem Videoarchiv ein Übersichtsvortrag zur Verfügung. Der Zugang ist ohne Anmeldung und kostenfrei möglich.

     www.inflammatio.de

Literatur

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