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Diagnostik der Zöliakie unter Berücksichtigung der S2k-Leitlinie 2014

Die Zöliakie ist eine Autoimmunerkrankung, die durch Gluten ausgelöst wird. Sie tritt bei genetisch prädisponierten Personen auf und führt zu einer lebenslangen Enteropathie. Es handelt sich somit nicht um eine Allergie. Das Autoantigen bei der Zöliakie ist die Gewebstransglutaminase des Dünndarms im Komplex mit dem über die Nahrung aufgenommenen Gluten. Da nur die HLA-Moleküle DQ2, DQ7 oder DQ8 das Gluten binden und dem Immunsystem präsentieren können, können auch nur Träger dieser HLA-Merkmale erkranken. Die Erkrankung ist mit einer Prävalenz von 1:200 bis 1:500 nicht selten.

Die Trägerschaft eines der HLA-Merkmale DQ2, DQ7 oder DQ8 ist eine zwingende Voraussetzung für die Entwicklung einer Zöliakie

Nahezu alle Zöliakie-Patienten (99 %) tragen eines der HLAMerkmale DQ2, DQ8 oder DQ7. Nachweislich können nur diese HLA-Moleküle die Gliadinpeptide präsentieren. Somit ist es nahezu unmöglich, eine Zöliakie zu entwickeln, wenn man nicht eines der genannten HLA-Merkmale besitzt. Die Untersuchung auf HLA-DQ2/DQ7/DQ8 ist daher ausgesprochen wichtig für den Ausschluss einer Zöliakie.

Bestimmte Erkrankungen werden bei Zöliakie-Patienten bis zu zehnmal häufiger gefunden als in der Normalbevölkerung

Bestimmte, vor allem autoimmune Erkrankungen, sind sehr eng mit der Zöliakie assoziiert. Bei gleichzeitigem Auftreten ist die Zöliakie oftmals asymptomatisch.

  • Dermatitis herpetiformis Duhring
  • primär  biliäre  Zirrhose
  • Psoriasis
  • Kollagenosen (Sjögren-Syndrom; Systemischer Lupus erythematodes
  • Autoimmunhepatitis
  • Diabetes  mellitus  Typ1
  • Autoimmun-Thyreoiditis
  • Addison-Syndrom
  • Down- oder  Turner-Syndrom
  • Morbus  Crohn / Colitis  Ulcerosa
  • Osteoporose
  • Migräne
  • Reizdarmsyndrom
  • Depressionen und Angststörungen
  • Transaminasenerhöhungen
  • Selektiver IgA-Mangel

Diagnostik

Pathophysiologisch handelt es sich bei der Zöliakie um einen genetisch determinierten, T-Zell-vermittelten, chronisch- entzündlichen autoimmunen Prozess, der gegen das Dünndarmgewebe gerichtet ist. Somit umfasst das diagnostische Spektrum serologische, genetische und histologische Untersuchungen.

Serologische Laboruntersuchungen haben einen hohen Stellenwert. Sehr sensitive serologische Antikörpernachweise ermöglichen nicht nur die Diagnose der Zöliakie, sondern eignen sich darüber hinaus auch zur Verlaufskontrolle. Folgende Antikörperbestimmungen stehen zur Verfügung:

  • Antikörper gegen  Gewebstransglutaminase IgG/IgA
  • Antikörper gegen Endomysium IgG/IgA
  • Antikörper gegen deamidiertes Gliadin IgG/IgA

Endomysium- und Transglutaminase-IgA-Ak sind sehr spezifische Marker für das Vorliegen einer Zöliakie und mit der Kombination dieser zwei Assays lässt sich eine hohe Sensitivität (~100 %) und Spezifität (~100 %) in der Zöliakie-Diagnostik erreichen.

Daran sollte gedacht werden:

  • Bis zu 6 % der Zöliakiepatienten haben einen IgA-Mangel.
    In diesen Fällen sind die IgA-Ak-Bestimmungen falsch negativ und können deshalb nicht zur Beurteilung herangezogen werden. Daher sollte das Gesamt-IgA immer parallel bestimmt werden.
    Bei bekanntem IgA-Mangel sollte die Bestimmung der jeweiligen IgG-Ak erfolgen, wobei dann zusätzlich zur Untersuchung auf Endomysium- und Transglutaminase-IgG-Ak auch die Untersuchung auf die IgG-Ak gegen deamidiertes Gliadin durchgeführt werden sollte.

  • Unter Gluten-freier Kost fallen die Antikörper-Titer ab.
    Daher hat die Serologie (ebenso wie die endoskopische Untersuchung) unter Diät nur eine eingeschränkte Aussagekraft. Bei Blutentnahme sollte deshalb eine genaue Ernährungsanamnese erfolgen.

Der Nachweis der Zöliakie-Prädispositions-Allele HLA-DQ2, DQ7 und DQ8 dient vor allem dem Ausschluss einer Zöliakie.

Die HLA-Merkmale DQ2, DQ7 und DQ8 sind eine zwingende Voraussetzung für eine Zöliakie, 100 % der Zöliakie-Patienten tragen eines dieser HLA-Merkmale. Das Auftreten einer Zöliakie ist unmöglich bei Patienten, die diese HLA-Merkmale nicht tragen. Die HLA-Bestimmung wird nicht durch Diätmaßnahmen beeinflusst.

Die Erkenntnis, dass die Zöliakie die am stärksten HLAassoziierte Erkrankung ist, hat 2012 zu einer neuen Leitlinie der ESPGHAN (Europäischen Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung) und 2014 zu einer S2k-Leitlinie der Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen geführt. Die Leitlinien haben die HLA-Untersuchung als neuen diagnostischen Parameter aufgenommen. Bei den empfohlenen diagnostischen Algorithmen unterscheiden die Leitlinien zwischen:

  • Zöliakie-symptomatischen Patienten und
  • Asymptomatischen Zöliakie-Risikopatienten.

Neu ist, dass bei Zöliakie-symptomatischen Patienten die Zöliakiediagnose auch ohne Biopsie gestellt werden kann, wenn neben einer klassischen (gastrointestinalen) Klinik und deutlich positiven serologischen Befunden eines der HLA-Merkmale DQ2/ DQ7/DQ8 vorliegt.

Abb. 1 Diagnostisches Vorgehen bei klinischem Verdacht auf Zöliakie nach den ESPGHAN-Kriterien 2012 und der S2k-Leitlinie 2014

Bei Patienten mit erhöhtem Zöliakie-Risiko aufgrund der zuvor genannten Erkrankungen und bei Verwandten ersten Grades von Zöliakie-Erkrankten sollte das Screening mit der HLA-Bestimmung beginnen, da bei einem negativen HLA-Ergebnis die regelmäßigen Screenings auf die Antikörper nicht mehr notwendig sind. Bei HLA-DQ2/7/8-Positivität sollten alle zwei bis drei Jahre die Transglutaminase-IgA-Ak bestimmt werden.

Abb. 2 Diagnostisches Vorgehen bei asymptomatischen Zöliakie-Risikopatienten nach den ESPGHAN-Kriterien 2012 und der S2k-Leitlinie 2014 

Material

Serologie: 5 ml Serum

HLA-Genotypisierung: 2 ml EDTA-Blut

Anforderung: HLA bei Verdacht auf Zöliakie. Der Transport ins Labor ist nicht zeitkritisch und kann per Postversand erfolgen. Für die genetische Untersuchung benötigen wir die Einverständniserklärung des Patienten. Das Blutentnahme- und Versandmaterial wird vom Labor kostenfrei zur Verfügung gestellt.

Abrechnung

Eine Abrechnung im kassen- und privatärztlichen Bereich ist gegeben.

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     www.inflammatio.de

Literatur

  • Brunner & Spalinger. Zöliakie im Kindesalter. Paediatrica  2005; 16(3): 34.
  • Felber et al. 2014: S2k-Leitlinie Zöliakie, AWMF-Register-Nr. 021/021.
  • Kakinen  et  al.  HLA-Typing  in  the diagnosis of Celiac Disease. Am J Gastroenterol 2002; 97:695.
  • Husby et al. European Society for Pediatric Gasroenterology, Hepatology, and Nutrition guideline for the diagnosis of coeliac disease. J Pediatr Gastroenterol Nutr. 2012; 54(1):136.