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Die prädiktive Bedeutung von Autoantikörpern

Die Bestimmung von Autoantikörpern (AAk) kann eine bedeutsame Hilfe für den Kliniker bei der Diagnostik und Differentialdiagnostik von Autoimmunerkrankungen sein, da sie mitunter eine hohe Krankheitsspezifität und eine hohe prädiktive Wertigkeit aufweisen. Häufig sind Autoantikörper Bestandteil von Klassifikations- oder Diagnosekriterien dieser Erkrankungen.

Ungeachtet dessen kann ein positiver Autoantikörperbefund, der mitunter als Begleit- oder Zufallsbefund auftritt, bei fehlenden klinischen Symptomen zu Irritationen und Verunsicherungen bei den klinisch tätigen Kollegen führen. Man konnte anhand retrospektiver und prospektiver Studien für eine Reihe von Autoantikörpern eindeutig belegen, dass diese Monate bis mehrere Jahre vor der klinischen Manifestation der entsprechenden Autoimmunerkrankung nachweisbar sein können. An einigen exemplarischen Beispielen soll dies im Folgenden kurz belegt werden.

Diabetes mellitus Typ 1

Die für die Diagnostik des Typ-1-Diabetes relevanten AAk sind die Inselzellantikörper (ICA) sowie AAk gegen GlutamatDecarboxylase (GAD), Tyrosin-Phosphatase (IA-2), Insulin (IAA) und Zinktransporter 8 (ZnT8). Diese AAk können Jahre vor der Diabetesmanifestation nachweisbar sein. Sowohl Kinder als auch Erwachsene mit diesen Antikörpern haben ein erhöhtes Risiko, einen Typ-1-Diabetes zu entwickeln. Das Risiko steigt mit dem Titer und der Zahl der nachweisbaren Antikörper. Wenn 3 oder 4 der genannten Antikörper in mittleren oder hohen Titern vorliegen, entwickeln mehr als 80 % (in einigen Studien 100 %) innerhalb von 10 Jahren einen Typ-1-Diabetes.

Sklerodermie

Die für die Sklerodermie spezifischen Markerantikörper gegen Zentromere und Scl- 70 können bis zu 15 Jahre vor der Erkrankung nachweisbar sein.

Chronisch entzündliche Darmerkrankungen

Antikörper gegen das Mannan von Saccharomyces cerevisiae (ASCA) gelten als Marker des Morbus Crohn. In einer retrospektiven Studie konnte gezeigt werden, dass ASCA in ca. einem Drittel der Patienten 20-77 Monate vor der Diagnosestellung positiv waren. In der gleichen Studie wurden pANCA in 25 % der Fälle vor der Diagnose Colitis ulcerosa gefunden. ASCA und pANCA können somit als Risikomarker für chronisch entzündliche Darmerkrankungen angesehen werden

Primäre-biliäre Cholangitis (PBC)

Markerantikörper der PBC sind die antimitochondrialen Antikörper Typ M2 (AMA-M2). Diese Autoantikörper können der PBC-Manifestation um Jahre vorausgehen. In einer prospektiven Studie an klinisch asymptomatischen Personen mit positiven M2-Antikörpern konnte gezeigt werden, dass die Mehrzahl der Patienten eine histologisch gesicherte PBC entwickelten. Patienten mit persistierend positiven AMA-M2-Antikörpern haben somit ein hohes Risiko einer PBC-Entwicklung bzw. sind in einer sehr frühen Phase der Erkrankung.

Rheumatoide Arthritis (RA)

Sowohl Rheumafaktoren als auch die spezifischeren CCP-Antikörper können Jahre vor Erkrankungsmanifestation der RA nachweisbar sein, CCP-AAk sogar bis zu 10 Jahre! Besonders hoch ist das Risiko einer RA-Entwicklung, wenn sowohl RF als auch CCP-Antikörper auftreten.

Systemischer Lupus erythematodes (SLE)

In einer retrospektiven Studie konnte gezeigt werden, dass bei 88 % der SLE-Patienten mindestens einer der SLE-assoziierten Autoantikörper (ANA, dsDNA, SS-A(Ro)-, SS-B(La)-, Sm-, U1RNP-, Phospholipid-Antikörper) im Mittel bis zu drei Jahren vor der klinischen Manifestation nachweisbar ist.

Zusammenfassung

Es wird deutlich, dass eine Vielzahl von erkrankungsspezifischen Autoantikörpern präsymptomatisch nachweisbar sind und ein erhöhtes Risiko der Entwicklung der entsprechenden Autoimmunerkrankung anzeigen. Es wird empfohlen, diese Patienten engmaschig zu kontrollieren, um bei Auftreten der ersten klinischen Symptome und weiterer Nachweisbarkeit der erkrankungsspezifischen Antikörper frühzeitig eine Therapie einleiten zu können.

Die nachfolgende Tabelle zeigt eine Auswahl von Studien zur präsymptomatischen Nachweisbarkeit von Autoantikörpern (siehe Rückseite).

Autoantikörper (AAk)
ErkrankungStudienart
Zentromer-AAk
Systemische Sklerose (Sklerodermie)A
B
C1
Scl-70-Ak
Systemische Sklerose (Sklerodermie)A
C1
SS-A (Ro)-AAk
SS-B (La)-AAk

Sjögren-Syndrom
SLE-Formen
NLE/CHB
A
B
C1
C2
nRNP/Sm-AAk
SLEB
Doppelstrang-DNA-AAk (dsDNA-AAk)
SLEA
B
C2
Rheumafaktor (hochtitrig)
RAA
B
C1
C2
CCP-AAk
RAB
Nebennierenrinden-AAk (21-Hydroxylase-AAk)
Idiopathischer Morbus AddisonC1
Diabetes mellitus Typ1-AAk
(Insulin-AAk, ICA, GAD- und IA2-AAk)

Diabetes mellitus Typ 1A
B
C1
A/C2
AMA-M2
Primär-biliäre CholangitisC2
ASCA
Morbus CrohnA
B
atypische ANCA
Colitis ulcerosB
AAk gegen Steroid-produzierende Zellen
OvarialinsuffizienzC1

*A: signifikant erhöhte Frequenz in Risikogruppen, *B: retro-spektive Studien, *C: prospektive Studien an Risikogruppen (C1) oder an der normalen Bevölkerung (C2); Abkürzungen: AMA: antimitochondriale Ak, ANCA: antineutrophile zytoplasmatische Ak, ASCA: anti-Saccharomyces cerevisiae Ak, CCP: zyklische citrullinierte Peptide, CHB: congenital heart block, ICA: Inselzell-AAk, GAD: Glutamat-Decarboxylase, NLE: neonataler Lupus erythematodes, RNP: Ribonucleoprotein

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Literatur

  • Conrad K. Prädiktive Bedeutung von Autoantikörpern/Predictive relevance of autoantibodies. LaboratoriumsMedizin 2011; 35(6):363-373