Polyneuropathien (PNP) sind Erkrankungen des peripheren Nervensystems, denen eine Vielzahl von Ursachen zugrunde liegen können. Neben den in den Industrienationen häufigsten Ursachen wie Diabetes mellitus und Alkoholabusus haben in den letzten Jahren die autoimmunen Neuropathien zunehmendes Interesse erlangt.
Neben anamnestischen Angaben, klinischer Manifestation und neurologischem Befund sichert die elektrophysiologische Diagnostik (Neurographie, EMG) die Diagnose, kann aber nichts über die Ätiologie aussagen. Hier kann das Labor eine wesentliche Hilfestellung geben.
Von besonderem Interesse sind PNP, bei denen immunologische Mechanismen bzw. eine Fehlfunktion des Immunsystems eine Rolle spielen. Hierzu gehören die eigentlichen autoimmunen Neuropathien, die paraneoplastischen Erkrankungen des peripheren Nervensystems sowie die vaskulitischen PNP. Die genaue Zuordnung ist für die therapeutische Entscheidung außerordentlich wichtig.
Grundsätzlich werden autoimmune PNP zwischen akuten und chronisch entzündlichen Neuropathien unterschieden. Zugrunde liegt den beiden Erkrankungen eine entzündliche Autoimmunreaktion gegen spezifische Bestandteile des peripheren Myelins. Die Kenntnis über die autoimmunen PNP hat in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Entsprechend ist die Klassifikation differenzierter geworden. Die wichtigsten akuten Verlaufsformen sind das Guillain-Barré-Syndrom (GBS) mit einer Inzidenz von 1,3-2/100.000 sowie verschiedene Subtypen, z. B. das Miller-Fisher-Syndrom. Die chronischen, immunvermittelten Polyneuropathien (CIP) stellen eine heterogene Gruppe dar mit schwerpunktmäßig motorischen, sensorischen oder sensomotorischen Ausfällen, die sich symmetrisch oder auch asymmetrisch manifestieren können. Die häufigste Form ist die chronisch-inflammatorisch-demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP) mit einer Prävalenz von ca. 7,7 pro 100.000 Einwohnern. Sie tritt überwiegend im Erwachsenenalter auf, meist mit subakutem Beginn und motorischen Defiziten, häufig fortschreitend bis zur Gehunfähigkeit, typischerweise mit einem schubförmig-remittierenden Verlauf. Die CIDP macht den größten Anteil der zuvor nicht diagnostizierten Polyneuropathien aus. Verschiedene Varianten der CIDP werden beschrieben: ataktische Form, multifokale CIDP (multifocal acquired demyelinating sensory and motor neuropathy = MADSAM), fokale CIDP (distal acquired demyelinating symmetric neuropathy = DADS), axonale Form (CIAP) sowie die CIDP mit monoklonaler Gammopathie unbestimmter Signifikanz. Eine weitere Form der Immunneuropathie stellt die multifokale motorische Neuropathie (MMN) dar, eine langsam-progrediente, asymmetrische, distal- und armbetonte, rein motorische PNP.
Neben der notwendigen Basis- und Liquordiagnostik (Eiweißerhöhung) kann die Labordiagnostik speziell durch den Nachweis von AAk gegen Ganglioside oder das Myelin-assoziierte Glykoprotein (MAG) wichtige differentialdiagnostische Hinweise geben (siehe Tabelle).
1. AAk gegen Ganglioside gelten als Markerantikörper für die Diagnostik und Differenzialdiagnostik von periphere autoimmunen Neuropathien. Ganglioside sind komplexe Sphingolipide, die als Bestandteil der Zellmembran deren Eigenschaften mitbestimmen. Sie bestehen aus einem Lipid, einer Oligosaccharidkette und Sialinsäure. Durch Position und Anzahl der Sialinsäure unterscheiden sich die einzelnen Ganglioside voneinander. Sie kommen sowohl im Zentralnervensystem (ZNS) als auch in peripheren Nerven (PNS) vor. Ähnliche Strukturen finden sich auch oberflächlich in Mikroorganismen. Gehäuftes Auftreten von PNP nach bestimmten Infektionen (z. B. Campylobacter jejuni, Cytomegalie-Virus, Mycoplasma pneumoniae oder Epstein-Barr-Virus) legen daher einen Zusammenhang über eine Kreuzreaktion nahe.
Weitere Gangliosid-AAk spielen für die Differentialdiagnose gegenwärtig keine Rolle. Zu beachten ist, dass Gangliosid-AAk in geringer Frequenz (bis zu 8 %) auch bei gesunden Personen auftreten können.
2. Weitere AAk, die bei Patienten mit PNP auftreten, sind gegen ein Glykoprotein der Zellmembran der Myelinscheiden (Myelin-assoziiertes Glykoprotein = MAG) gerichtet. Ähnlich den Gangliosiden kommt auch MAG sowohl im ZNS als auch im PNS vor. AAk gegen MAG (IgM) treten bei Patienten mit PNP fast nur in Verbindung mit einer monoklonalen IgM-Gammopathie auf und sind bei ca. 50 % aller Fälle nachweisbar. Bei den assoziierten Gammopathien kann es sich sowohl um maligne Formen wie die Makroglobulinämie Waldenström als auch um die nicht malignen monoklonalen Gammopathien unbekannter Signifikanz (MGUS) handeln. Die mit MAG-AAk assoziierte PNP verläuft in der Regel langsam progressiv, symmetrisch, distal ausgeprägt und häufig überwiegend sensibel. Zuweilen finden sich MAG-AAk auch bei dem GuillainBarré-Syndrom.
Krankheitsbild | Autoantikörper | Häufigkeit |
---|---|---|
Guillain-Barré-Syndrom (GBS) | GM1(IgG,IgM) GD1a, GT1b (IgG) | 20-30 % 50% |
Miller-Fisher-Syndrom | GQ1b (IgG) GT1a (IgG) | >90 % |
Multifokale motorische Neuropathie (MMN) | GM1 (IgM) GD1b (IgM) GT1b (IgG), GM2, GM3 | 30 - 80 % 20 - 50 % |
Chronische demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP) | GM1 (IgG) GD1a,GM2, GM3 | 15 % |
Langsame progressive sensorische Neuropathie, monoklonale IgM-Gammopathie | MAG (nur IgM) | 100 % |
Serum (1ml) oder Vollblut
Der Transport ins Labor ist nicht zeitkritisch und kann per Postversand erfolgen
Die Abrechnung ist im kassen- und privatärztlichen Bereich gegeben.