Home >  Fachinformationen > Nachweis von Fremdstoffbelastung aus dentalen Kunststoffen

Kunststoffe finden in der Zahnmedizin weit verbreitet Anwendung als Komposite, Kleber, Schienen- und Prothesenmaterial sowie für Versiegelungen. Auch das Bestreben, Amalgam zu eliminieren und auf Dentallegierungen zu verzichten, hat dem Einsatz von Dentalkunststoffen Vorschub geleistet, insbesondere in Form von Komposit-Füllungen und als Kleber u.a. auch für Keramikversorgungen. Individuelle Materialunverträglichkeiten können den Vorzügen des Materials jedoch entgegenstehen. Die Labordiagnostik bietet hier Ansatzpunkte, sowohl die mögliche Acrylat-Belastung aus dem Zahnersatz als auch etwaige allergische Sensibilisierungen des Patienten zu detektieren.

Abb. 1 Dentalkunststoffe als Quelle von Acrylatbelastung. Über Abbauprodukte und deren Wirkungen ist bisher wenig bekannt. 

Fremdstoffbelastung aus Dentalkunststoffen

Eine neue LC-MS (liquid chromatography mass spectrometry) basierte Methode ermöglicht die Messung von Acrylaten im Patientenspeichel. Quantifiziert werden derzeit UDMA, TEGDMA, BisGMA, MMA sowie das potentiell als Kontamination oder Abbauprodukt vorkommende Bisphenol A (BPA). Aufgrund von Signalüberlagerungen aus Kaugummiinhaltsstoffen erfolgt die Kunststoffanalyse im Morgenspeichel oder im Basalspeichel (tagsüber ohne Kaugummikauen abgegeben).

Abb. 2 Deutliche Acrylatbelastung der untersuchten Speichelprobe

Acrylate können Entzündung auslösen

Die Grundlagenforschung zeigt, dass Acrylate Zellmembranen durchdringen und intrazelluläres Glutathion oxidieren. Der resultierende Anstieg von Sauerstoffradikalen aktiviert die Produktion entzündungsfördernder Zytokine. Auf der Basis dieser Daten ist es wahrscheinlich, dass Acrylate auch dann als lokale Entzündungsreize wirken, wenn keine allergische Sensibilisierung vorliegt. Über mögliche systemische Wirkungen ist bisher wenig bekannt. Eine Ausnahme stellt das Bisphenol A dar (chemisch gesehen kein Acrylat). BPA ist ein bekannter endokriner Disruptor, der systemisch aufgenommen wird und an Östrogen-Rezeptoren bindet.

Wie kommt es zur Freisetzung von Acrylaten?

Es ist bekannt, dass selbst bei sorgfältiger Aushärtung des Kunststoffes nicht-polymerisierte Restmonomere zurückbleiben, die in den Speichel eluieren. Einfluss auf die Menge an freigesetztem Restmonomer nehmen u.a.:

  • die Effizienz der Polymerisation
  • der zeitliche Abstand zur Einbringung
  • spezifische Materialeigenschaften des verwendeten Kunststoffes

Auch bislang weitgehend unbekannte chemische und enzymatische Abbauprozesse spielen hier mit großer Wahrscheinlichkeit eine Rolle. Bedeutsam ist dabei die Keimflora der Mundhöhle. 

Manche Patienten bauen Acrylate im Speichel rasch ab

Als organische Verbindungen können Acrylate von Speichelenzymen umgewandelt werden. Die entstehenden Abbauprodukte sind bisher weitgehend unbekannt, ebenso wie ihre potentielle Immunogenität und Toxizität. Ist ein Acrylat im Speichel nicht nachweisbar, sind daher grundsätzlich zwei Interpretationen möglich:

  1. das betreffende Acrylat wird nicht freigesetzt.
  2. das betreffende Acrylat wird zwar freigesetzt, es wird jedoch im Speichel rasch in andere Metabolite umgewandelt, so dass die Ausgangssubstanz nicht nachweisbar ist.

Die Laboranalyse erfasst Abbauprozesse

Wir prüfen die Stabilität der untersuchten Monomere in jeder analysierten Speichelprobe. Dazu wird ein Teil des Patientenspeichels mit den Acrylat-Reinsubstanzen aufgestockt und die Stabilität dieses so genannten Spikings überprüft. »Verschwindet« das zugesetzte Kunststoffmonomer aus der Speichelprobe, deutet dies auf einen raschen Abbau im Speichel des betreffenden Patienten hin. Es ist in diesem Fall zu erwarten, dass aus dem Zahnersatz freigesetzte Monomere auch im Mund des betreffenden Patienten instabil sind. Diese Information wird auf dem Befund vermerkt.

Abb. 3 Instabilität von TEGDMA im Speichel des untersuchten Patienten

Dosis-unabhängige Unverträglichkeit bei Sensibilisierung

Unabhängig von toxischen Effekten können Acrylate Typ Iund Typ IV-Sensibilisierungen induzieren, nachweisbar im Basophilenaktivierungstest (BAT) bzw. im Lymphozytentransformationstest (LTT). Ihre Abklärung spielt eine wichtige Rolle bei der Diagnostik von Unverträglichkeiten, da bei allergischer Sensibilisierung bereits geringste, möglicherweise nicht messbare Mengen des Allergens klinische Beschwerden auslösen können. Neben den Reinsubstanzen im LTT Kunststoffe, LTT Dental-Check und BAT Acrylat-Profil ist es sowohl im BAT als auch im LTT möglich, fertig ausgehärtete Kunststoffproben zu untersuchen, die die Gesamtheit der potentiellen Allergene des betreffenden Materials enthalten.

Abb. 4 Im Profil »LTT Kunststoffe« Nachweis einer Typ IV-Sensibilisierung auf TEGDMA 

Material »Kunststoffe im Speichel«

2 ml Basalspeichel (tagsüber ohne Kaugummikauen abgegeben) oder Morgenspeichel. Der Probeneingang im Labor innerhalb von 24 Stunden (24h) sollte gewährleistet sein. Innerhalb der Berliner Stadtgrenzen bieten wir Ihnen unseren Fahrdienst an (+49 (0)30 7701-250), für überregionale Abholungen kontaktieren Sie bitte den kostenfreien Kurierservice unter +49 (0)30 77001-450.

Abrechnung

Eine Abrechnung ist nur im privatärztlichen Bereich (GOÄ) gegeben. Selbstzahler entnehmen bitte die aktuellen Untersuchungspreise dem  PDF-Dokument.

Literatur

  • Atkinson et al., Stability of bisphenol A, triethylene-glycol dimethacrylate, and bisphenol A dimethacrylate in whole saliva. Dental Materials 2002; 18:128-135.
  • Kraus et al., In-vitro cytocompatibility of dental resin monomers on osteoblast-like cells. Journal of Dentistry 2017; 65: 76-82.
  • Krifka et al., A review of adaptive mechanisms in cell responses towards oxidative stress caused by dental resin monomers. Biomaterials 2013; 34: 4555-63
  • Schmalz und Arenholt-Bindslev. Biocompatibility of Dental Materials. Springer Verlag 2009