Als Diabetes mellitus werden heterogene Störungen des Glukosestoffwechsels mit dem Leitbefund der chronischen Hyperglykämie bezeichnet. Ursache für diese Regulationsstörung ist entweder eine gestörte Insulinsekretion oder eine verminderte Insulinwirkung oder beides zusammen. Der Diabetes mellitus wird nach aktuellen Klassifikationskriterien in vier Hauptgruppen unterteilt, wobei die Begriffe IDDM (insulinabhängiger Diabetes) und NIDDM (nicht-insulinabhängiger Diabetes) ersetzt wurden durch die Bezeichnung Typ 1- bzw. Typ 2-Diabetes:
Der Typ 1-Diabetes (T1D) ist, mit Ausnahme der sehr seltenen idiopathischen Form, eine Autoimmunerkrankung, die durch die progrediente Zerstörung der Insulin-produzierenden Beta-Zellen gekennzeichnet ist. Die Zerstörung erfolgt über das körpereigene Immunsystem, insbesondere durch autoreaktive T-Zellen und B-Zellen (Autoantikörper). Die Folge ist ein absoluter Insulinmangel, der eine lebenslange Substitutionstherapie mit exogenem Insulin erforderlich macht.
Die Ursache des T1D ist bis heute noch ungeklärt, diskutiert werden das Zusammenwirken von prädisponierenden Genen, einer Fehlsteuerung des Immunsystems (Autoimmunität) und äußeren Faktoren (z. B. Infektionen). Der T1D ist ähnlich zu einigen anderen Autoimmunerkrankungen (z. B. Zöliakie) in starkem Maß mit bestimmten HLA-Merkmalen assoziiert und zeigt eine familiäre Häufung.
T1D macht in Europa über 90 % der Diabetesfälle im jungen Lebensalter (unter 25 Jahren) aus und ist somit die häufigste Stoffwechselerkrankung im Kindesalter. Der T1D kann sich aber auch erst im späteren Erwachsenenalter (LADA-Diabetes) entwickeln. LADA ist eine T1D-Sonderform und führt in der Regel nicht sofort zur Insulinpflichtigkeit, da die Bauchspeicheldrüse noch eingeschränkt Insulin herstellt. Allerdings sprechen diese Patienten häufig schon nach wenigen Monaten nicht mehr auf eine Therapie mit Diät und Tabletten an, so dass schließlich doch eine Insulinbehandlung erforderlich wird.
Auch wenn die Zerstörung der Beta-Zellen durch T-Lymphozyten erfolgt, spielen ähnlich wie bei anderen Autoimmunerkrankungen die Autoantikörper (AAk) für die Frühdiagnostik und Risikoeinschätzung des T1D eine entscheidende Rolle. T1D-charakteristische AAk sind bei nahezu allen Patienten mit einem neu manifestierten Typ 1-Diabetes im Serum nachweisbar! Die 5 klinisch relevantesten AAk sind folgende:
• AAk gegen Insulin (IAA)
• AAk gegen Inselzellen (ICA)
• AAk gegen Glutamatdecarboxylase (GADA)
• AAk gegen Tyrosinphosphatase (IA2-AAk)
• AAk gegen Zinktransporter 8 (ZnT8-AAk)
Diese AAk gelten als Frühmarker, da sie viele Jahre vor der klinischen Manifestation eines T1D nachweisbar sind. Somit erlaubt ein AAk-Screening die frühzeitige Erkennung und Vermeidung von Komplikationen einer Erstmanifestation wie z. B. plötzliche schwere Stoffwechselentgleisungen. Das Risiko, einen T1D zu entwickeln, steigt mit der AAkKonzentration, der Anzahl und Spezifität verschiedener AAk und einem jungen Lebensalter. Als Faustregel gilt: Je früher und intensiver die AAk-Antwort, desto höher ist das Erkrankungsrisiko! So erkranken 80-100 % der Fälle mit multiplen Autoantikörpern in mittleren/hohen Konzentrationen an Typ 1-Diabetes innerhalb von 10 Jahren. Daher hat sich die kombinierte Untersuchung mehrerer AAk bewährt.
Erkrankungsrisiko Diabetes mellitus Typ 1 Verwandte 1. Grades von Diabetikern 1 AAk: ca. 20 % innerhalb von 10 Jahren 2-4 AAk: > 50 % innerhalb von 5 Jahren ca. 92 % innerhalb von 10 Jahren Normalbevölkerung
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Eine AAk-Bestimmung wird besonders in den Risikogruppen empfohlen (Verwandte 1. Grades mit T1D, Träger von T1D-Risiko-HLA-Merkmalen, nicht-insulinpflichtige Typ 2-Diabetiker über 25 Jahre, Frauen mit Gestationsdiabetes und Kinder mit Zöliakie oder Personen mit anderen Autoimmunerkrankungen).
Die genetische Prädisposition für einen T1D wird dadurch deutlich, dass etwa 10 % der Typ 1-Diabetiker eine positive Familienanamnese haben und mehr als 90 % eine charakteristische HLA-Assoziation aufweisen. Träger der HLA-Merkmale DR3/DQB1*02:01 und DR4/DQB1*03:02 haben insbesondere bei Vorhandensein eines Verwandten ersten Grades mit T1D ein bis zu 30 %iges Risiko, einen T1D zu entwickeln. Das Erkrankungsrisiko in der Normalbevölkerung beträgt zum Vergleich 0,4 %. Das HLA-Allel DQB1*06:02 hingegen wirkt protektiv, d. h. es vermittelt einen weitgehenden Schutz vor der Entwicklung eines T1D. So entwickeln Patienten mit isolierten Inselzell-AAk (ICA) nachweislich seltener einen T1D, wenn sie das HLA-Merkmal DQB1*06:02 tragen. Somit erlaubt die HLA-Genotypisierung die Erkennung von T1D-Hochrisikopatienten.
Erkrankungsrisiko Diabetis mellitus Typ 1 Normalbevölkerung ohne assoziierte-HLA-Merkmale 0,4 % mit assoziierten-HLA-Merkmalen bis zu 7% Verwandte 1. Grades von Diabetikern ohne assoziierte-HLA-Merkmale 6 % mit assoziierten-HLA-Merkmalen 20-30 % |
Abb. 2 Träger der HLA-Merkmale DR3/DQB1*02:01 und/oder DR4/DQB1*03:02 haben ein bis zu 30%iges Risiko, einen Typ 1 Diabetes zu entwickeln.
Der T1D zeigt eine enge Assoziation zu anderen Autoimmununerkrankungen. So beträgt die Zöliakie-Prävalenz bei T1D-Patienten 1:30 (Prävalenz in der Normalbevölkerung ca. 1:500). Eine häufige Koinzidenz besteht auch mit M. Basedow, Hashimoto-Thyreoiditis, M. Addison, Autoimmunhepatitis, Myasthenia gravis, perniziöser Anämie oder Vitiligo beim Patienten selbst oder in der Familienanamnese.
AAk-Diagnostik: Serum (1 ml) oder Vollblut
HLA-Diagnostik: 2 ml EDTA-Blut, Patienteneinwilligung
Für die genetische Untersuchung benötigen wir die Einverständniserklärung des Patienten. Der Transport ins Labor ist nicht zeitkritisch und kann per Postversand erfolgen. Das Blutentnahme- und Versandmaterial wird vom Labor kostenfrei zur Verfügung gestellt.
Die Abrechnung im kassen- und privatärztlichen Bereich ist für alle genannten Untersuchungen gegeben. Die HLA-Bestimmung belastet nicht das Laborbudget.
Ablauf und Stellenwert der klinisch-chemischen Diagnostik eines Diabetes mellitus finden Sie in unseren Diagnostikinformationen »Diabetes mellitus - Definition, Klassifikation und Diagnostik entsprechend der aktualisierten DDG-Leitlinien« (Nr. 161) und »Intaktes Proinsulin« (Nr. 169).
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